Pressemitteilung
Meinungsfreiheit und Solidarität lassen sich nicht verbieten ! Leaved no one behind !
Verfahren gegen Unterstützerin der Aktion Leave no one behind vor dem Amtsgericht Karlsruhe eingestellt.
Am Dienstag, den 1.12.2020 fand im Amtsgericht Karlsruhe der erste von 4 Prozessen in Zusammenhang mit dem Aktionstag der Seebrücke „Leave no one behind“ statt.
Für den 19.4.2020 hatte die Seebrücke zusammen mit anderen Organisationen im Rahmen der Kampagne – #LeaveNoOneBehind – zu einem weiteren Aktionstag unter dem Motto: „Rettet die Flüchtlinge aus den Lagern auf den griechischen Inseln – wer schweigt macht sich mitschuldig – Evakuierung der Lager jetzt! Sofortige Aufnahme der Menschen – auch in Karlsruhe“ aufgerufen.
Da die Stadt Karlsruhe (rechtswidrigerweise !) keine Versammlungen dulden wollte, wurde in Karlsruhe ein Vorschlag für die Gestaltung des Sonntagnachmittags verbreitet, am 19.4.2020 individuell zwischen 14 bis 16 Uhr in der Karlsruher Innenstadt spazieren zu gehen und seine Meinung zur Rettung der Flüchtlinge kund zu tun, zB. allein oder zu zweit mit Schildern, um auf die dramatische Situation in den Flüchtlingslagern aufmerksam zu machen, und die sofortige Evakuierung der Lager und Aufnahme der Flüchtlinge – auch in Karlsruhe – zu fordern. Insbesondere die Corona-Pandemie hat die Lage in den Lagern an den Außengrenzen der EU, wie zB in Moria auf Lesbos, wo bis zu 20.000 Menschen im 10-fach überfülltem Lager zusammengepfercht waren, nochmals dramatisch verstärkt, da die Menschen dort keinen Abstand waren können, und auch minimalste Voraussetzungen für notwendige Hygienemaßnahmen nicht gegeben sind.
Bei dem Solidaritätsspaziergang sollte auf jeden Fall darauf geachtet werden, dass immer maximal 2 Personen unterwegs sind und jeweils mindestens 2 m Abstand zu allen Anderen gehalten wird. Vorsichtshalber sollten auch alle Spaziergänger_innen gemäß der aktuellen Empfehlung der Bundesregierung eine Gesichts-Schutzmaske tragen,damit niemand gefährdet wird. Ziel der Aktion war es ja gerade u.A. auf die Gefährdung der Flüchtlinge durch den Corona-Virus aufmerksam zu machen.
Etliche Menschen sind auch in Karlsruhe, wie auch in anderen Städten, diesem Vorschlag zur sonntäglichen Freizeitgestaltung gefolgt, und haben auf die tödliche Gefahr für viele Flüchtlinge in den Lagern an den Außengrenzen der EU hingewiesen und eine sofortige Evakuierung der Lager gefordert.
Dafür sollen 4 Personen jetzt mit einem Bußgeld von 200,00 € zzgl. 28,50 € „bestraft“ werden.
Kennzeichnenderweise setzte der Polizeieinsatzleiter auch noch die Meinungsfreiheit außer Kraft (!) – bei Corona gäbe es keine Meinungsfreiheit – und zwang die Betroffenen Ihr Schild umgekehrt auf den Boden zulegen, damit es nicht gesehen werden kann. Auf dem Plakat stand: „Fredom of movement for everyone – Leave no one behind – Evacuate Moria now !“
Auf Befragung des Rechtsanwalts der Betroffenen Wolfram Treiber gab der geladene Polizeizeuge zu, dass die Betroffene ein Schild mit sich geführt habe und dass sie auch andere mit Schildern bzw. Transparenten gesehen haben, wovon skandalöserweise nichts in den Akten zu finden war. Weiter gab er zu, dass der Einsatzzug Karlsruhe eingesetzt war, der üblicherweise bei Demonstration und im Fußball eigesetzt wird, dh de facto dass die Kontrolle wegen des Aktionstags stattfand und es sich nicht um eine Kontrolle der Corona-Schutzmaßnahmen handelte.
Völlig inakzeptabel ist es jedoch, dass der Einsatzleiter des Einsatzzugs die Betroffen zwang das Schild mit der Aufschrift nach unten zu legen, da es bei Corona keine Meinungsfreiheit gäbe (!). Dieser ungeheure Vorgang hat inzwischen sogar den Weg in eine Kunstausstellung im Staatlichen Kunstverein gefunden…
Viele Jurist_innen haben inzwischen die Praxis als rechtswidrig kritisiert wesentliche Grundrechte pauschal durch Verordnungen und damit ohne Beteiligung der Parlamente auszuhebeln. Bezeichnenderweise hatte auch das BVerfG 2 Tage vor dem Vorfall am 17.4.2020 ein „Machtwort“ gesprochen und angemerkt, dass auch bei Corona die Versammlungsfreiheit nicht pauschal außer Kraft gesetzt werden dürfe. Dies wurde aber offensichtlich von den Polizeikräften völlig ignoriert – im Gegenteil wurde sogar noch zusätzlich die Meinungsfreiheit außer Kraft gesetzt, was ein Polizeihauptkommissar eigentlich besser wissen müsste… In der nächsten der Corona-Verordnungen, die ab 4.5.2020 galt, wurden insofern die Versammlungen aus den pauschalen Verboten ausgenommen. Der Betroffenen war es auch wichtig zu erklären, dass sie nicht zu den Corona-Leugner_innen gehört sondern sie sich gerade dafür einsetze, dass sich der Schutz auch auf die Geflüchteten in den Lagern erstreckt.
Als Ergebnis wurde das Verfahren eingestellt und die Kosten der Staatskasse auferlegt. Unverständlicherweise bleibt die Betroffen aber auf ihren eigenen Kosten sitzen.
Meinungsfreiheit und Solidarität lassen sich nicht verbieten ! Leaved no one behind !
Einer der 4 Betroffenen ist im Übrigen ein freier Radio-Redakteur des Querfunk, der mit den Aktivist_innen nichts zu tun hatte und der nur aus gebührendem Abstand O-Töne der Aktivist_innen, warum diese die Aktion wichtig finden, einfangen wollte, und der nun ebenfalls mit Bußgeld belegt wurde.
Das Verfahren gegen den Redakteur findet nunmehr am Montag, den 7.12.2020 um 11.20 Uhr im Amtsgericht Karlsruhe im Sitzungssal 0.11, EG, Schlossplatz 23 in Karlsruhe statt.
Kontakt: Seebrücke Karlsruhe seebruecke-ka@gmx.de – Für Rückfragen: RA Treiber Tel. 0721 35455910